Familie Bernhard

Kaufhaus Familie Bernhard / Lange Straße 20 ©Bernhard family collection

Das Kaufhaus "J. Bernhard" wurde im Jahre 1824 von Joel Bernhard gegründet. Nach seinem Tot wurde es von seinem Sohn Max Bernhard erfolgreich weitergeführt. Später gab er die Geschäftsführung des Kaufhauses an seinen Sohn Paul Bernhard ab. Dieser erkannte die Zeichen der Zeit - es war die Zeit der Industrialisierung - und ließ das alte Kaufhaus seines Großvaters Joel im Jahre 1912 abreißen und ein großes und modernes Wohn- und Geschäftshaus an der selben Stelle errichten. Bis heute überragt es alle anderen Geschäfte der Stadt und es bestach durch die vier großen Schaufenster in der unteren Etage. Die Verkaufsräume befanden sich auf zwei Etagen. Paul Bernhard mit seiner Frau Lilly Bernhard und den Kindern Hilde und Heinz lebten in der Wohnung über den Geschäftsräumen und der Privateingang führte über die Kirchstraße 49 ins Haus.

 

Paul Bernhard

Paul Bernhard besaß das größte Kaufhaus unserer Stadt in der Langen Straße 20. Er führte damit die Tangermünder Geschäftswelt in ein neues Zeitalter.
Die Bernhards waren angesehene Bürger unserer Stadt. Als die Nazis am 1. April 1933 forderten „Kauft nicht bei Juden!“, hielten viele Tangermünder zu den Bernhards und kauften weiterhin bei ihnen ein. Aus diesem Grund und weil Paul Bernhard im Ersten Weltkrieg für sein deutsches Vaterland gekämpft hatte, glaubte er, dass die Nazis ihn und seine Familie verschonen würden. Doch er irrte sich. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wütete ein Trupp SA-Männer vor seinem Kaufhaus, beschimpften die Bernhards und beschmierte ihre Schaufenster. Paul Bernhard wurde gezwungen, das Kaufhaus zu einem Spottpreis zu verkaufen und mit seiner Frau Lilly aus der Wohnung über den Geschäftsräumen auszuziehen.

 

Paul Bernhard litt an Diabetes und bekam, weil er Jude war, nicht die notwendigen Medikamente und Diäterzeugnisse. Dadurch verschlimmerte sich seine Krankheit so sehr, dass ihm ein Bein abgenommen werden musste. Im Tangermünder Krankenhaus wurde er nicht ausreichend versorgt, sodass er verstarb.

 

Lilly Bernhard 

Lilly Bernhard war die Ehefrau von Paul Bernhard. Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes wurde sie von den Nazis aufgefordert, sich am 14. April 1942 mit maximal 25 kg Gepäck auf dem Magdeburger Hauptbahnhof einzufinden. Zwei Tage später erreichte sie mit einem Deportationszug das Warschauer Ghetto. Ob sie dort umkam oder noch in ein Vernichtungslager gebracht wurde, ist nicht bekannt.

 

Hugo Herzberg und Hilde Herzberg geb. Bernhard

Hilde Herzberg, geb. Bernhard war die Tochter von Paul und Lilly Bernhard. Sie war mit Hugo Herzberg verheiratet. Hugo war ein erfolgreicher Getreidegroßhändler in Rinteln, bis er von den Nazis gezwungen wurde, seine Firma aufzugeben. Dadurch verloren Hugo und Hilde ihre Lebensgrundlage. Sie fanden in Tangermünde Zuflucht und Hugo konnte im Kaufhaus der Bernhards arbeiten. Am Tag nach der Reichspogromnacht wurde er von den Nazis gefangengenommen und für einen Monat unter unmenschlichen Bedingungen im KZ Buchenwald eingesperrt. Damit wollten die Nazis ihn zwingen, Deutschland zu verlassen. Nach dem Zwangsverkauf des Kaufhauses verlor Hugo erneut seine Arbeit. Um Geld zu verdienen, arbeitete Hilde in der Schokoladenfabrik. Nach vielen gescheiterten Versuchen gelang es beiden 1940 in die USA zu emigrieren.

 

Heinz und Dora Bernhard

Heinz Bernhard der Sohn von Paul und Lilly Bernhard. Bereits vor Hitlers Machtergreifung war er als Schüler judenfeindlichen Angriffen ausgesetzt, als ihn ein Lehrer vor die Klasse stellte, um an seinem Beispiel die negativen Eigenschaften von Juden zu erklären. Daraufhin wechselte Heinz das Gymnasium. Doch der angerichtete Schaden war nicht wieder gutzumachen. Trotz allem hätte Heinz  Tangermünde nicht verlassen. Erst auf Drängen seiner Frau Dora wanderte er 1938 mit ihr und dem dreijährigen Sohn Gerd in die USA aus. Dieser Schritt machte ihm große Angst und er weinte, als er bei der Ankunft in New York die Freiheitsstatue erblickte. Dora Bernhard schätzte die Situation der Juden in Nazi-Deutschland realistisch ein und rettete durch die Flucht nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihres Mannes und ihres Sohnes.

 

 

 

 

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