Familie Conitzer

Arthur Conitzer (geb. 1.3.1874 in Jeschewo) stammte aus einer erfolgreichen westpreußischen Kaufmannsfamilie.
Als nach dem Ersten Weltkrieg Westpreußen unter polnische Regierung kam, verließen die Conitzers ihre angestammte Heimat.
Arthur Conitzer fand im Jahre 1920 mit seiner Ehefrau Gertrud Conitzer, geb. Jacob (geb. 19.5.1892 in Schwetz) und den beiden Töchtern Ursula (geb. 1.12.1917 in Thorn) und Ruth (geb. 21.8.1919 in Goslershausen) in Tangermünde eine neue Heimat.
Ihr erstes Tangermünder Kaufhaus befand sich direkt am Hünerdorfer Tor in der Langen Straße 35.
Zu ihrem vielfältigen Sortiment gehörten Damen-, Herren- und Kinderbekleidung sowie Stoffe, Gardinen und Teppiche.
Die zahlreichen Kaufhäuser des Conitzer-Konzerns und dessen Anschlusshäuser wurden ausschließlich von Mitgliedern der weit verzweigten Conitzer-Familie geleitet.
Durch gemeinsamen Einkauf erzielten sie besonders günstige Preise. Der gemeinsame Leitsatz hieß:
„Wir führen unserer Kundschaft immer billigere und dennoch beste Ware zu.“
Dadurch war auch das Tangermünder Kaufhaus „Conitzer & Co.“ rasch bei den Tangermündern beliebt.
Im September 1932 konnten Arthur und Gertrud Conitzer ein größeres Kaufhaus in der Langen Straße 41 eröffnen.
Mit der Machtergreifung der Nazis und der damit verbundenen Entrechtung und Verfolgung von Juden ab dem Jahre 1933 begannen Zwangsmaßnahmen auch gegen die Conitzers.
Wie alle anderen jüdischen Geschäfte wurde auch das Tangermünder Kaufhaus „Conitzer & Co.“ am 1. April 1933 boykottiert. Der Verkauf ging in der Folgezeit spürbar zurück. Die Conitzers wurden ausgegrenzt und aus der Tangermünder Geschäftswelt gedrängt.
Bald verloren sie alle staatsbürgerlichen Rechte. Häufig standen Boykottposten vor ihrem Geschäft. Die Anzahl ihrer Angestellten wurde immer geringer.
Ursula Conitzer hatte zu Beginn der 1930er Jahre eine Ausbildung bei einer Bank begonnen, die sie jedoch abbrechen musste, weil sie Jüdin war. Sie erkannte, dass sie keine Zukunft in Nazi-Deutschland hatte und das Land verlassen musste. Doch die Möglichkeiten dazu waren gering. Eine Flucht in das britische Mandatsgebiet Palästina schien ihr am aussichtsreichsten, sodass sie sich ab 1936 in verschiedenen Hachschara-Lagern in Deutschland und Italien auf eine Auswanderung dorthin vorbereitete.
Im Jahre 1938 gelang ihr und ihrem Ehemann Dr. Manfred Frankenstein die Flucht nach Palästina/Israel. Dort wurde am 17. November 1938 ihre Tochter Esther geboren.
Für die in Nazi-Deutschland Zurückgebliebenen wurde das Leben unerträglich. In der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde das Conitzer-Kaufhaus beschmiert, die Schaufenster zerschlagen und die Waren geplündert.
Die Conitzers wurden gezwungen, ihr Kaufhaus zu einem Spottpreis an einen Nicht-Juden zu verkaufen.
Sie hielten es in Tangermünde nicht mehr aus und suchten die Anonymität der Großstadt Berlin.
Doch mit den „Judenstern“, den sie ab dem 1. September 1941 in der Öffentlichkeit tragen mussten, waren sie gebrandmarkt.
Ruth Conitzer bereitete sich im Hachschara-Lager Gut Winkel bei Berlin auf ihre Ausreise nach Palästina/Israel vor, doch sie schaffte es nicht, mit ihrem Ehemann Max Lindenstrauß aus Nazi-Deutschland zu fliehen.
Am 1. März 1943 wurden sie ins KZ Auschwitz deportiert, wo Ruth vermutlich sofort nach der Ankunft vergast wurde. Sie wurde 23 Jahre alt.
Ihr Ehemann Max wurde zur Zwangsarbeit selektiert und in das KZ Natzweiler-Struthof deportiert. Nur wenige Tage vor dessen Befreiung durch die alliierten Armeen wurde er von den Nazis am 6. März 1945 ermordet. Er wurde 32 Jahre alt.
Arthur und Gertrud Conitzer wurden am 12. Januar 1943 von Berlin aus in das KZ Auschwitz deportiert und vermutlich sofort nach ihrer Ankunft am folgenden Tag in den Gaskammern ermordet. Arthur Conitzer war zu diesem Zeitpunkt 68 Jahre alt, seine Ehefrau Gertrud 50.
Ursula Frankenstein, geb. Conitzer überlebte als Einzige ihrer Familie den Holocaust. Sie fand in Rishon LeZion in Israel fern ihrer Heimat ein neues Zuhause. Sie verlor durch die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten nicht nur ihre Eltern, ihre Schwester und ihren Schwager, sondern einen Großteil ihrer Verwandtschaft - allein väterlicherseits waren es 24 Familienangehörige. Kein einziges Mitglied der großen Conitzer-Familie erlebte in Deutschland das Ende der Nazi-Herrschaft. Die wenigen Überlebenden wurden über die ganze Welt verstreut.
- Arthur und Gertrud Conitzer
- Conitzer Ursula Conitzer mit Enkel Shlomo
- Gertrud Conitzer und Ruth Conitzer
- Manfred Frankenstein und Ursel Frankenstein mit Esther